Wir alle haben diesen Satz schon gehört und sicher auch gesagt: “Ich habe keine Zeit!”
Aber ich behaupte, dass diese Aussage falsch ist und wir eigentlich etwas ganz anderes damit ausdrücken wollen.

Die Zeit vergeht

Tatsächlich ist es doch so: Wir alle haben jeden Tag die gleiche Zeit zur Verfügung. Für jeden von uns hat der Tag 24 Stunden (also 1440 Minuten oder 86400 Sekunden). Grundsätzlich steht uns also immer Zeit zur Verfügung. Der eigentliche Unterschied besteht darin, wie wir mit der Zeit umgehen; ob wir sie sinnvoll verwenden oder nicht – was auch immer das im Einzelfall heißt.

Über die Nutzung unserer Zeit entscheiden wir aber selbst. Wir sind dabei natürlich mehr oder weniger eingeschränkt, müssen uns Zwängen und Notwendigkeiten beugen und lassen uns auch von unseren Vorlieben und Neigungen leiten. Letztlich entscheiden wir aber selbst darüber, ob wir einer Sache unsere Zeit widmen oder nicht.

Was wir eigentlich meinen

Und damit wird auch langsam klar, was wir mit der Aussage “Ich habe keine Zeit?” eigentlich ausdrücken wollen. Sie bedeutet eigentlich: “Ich habe im Moment andere Prioritäten, andere Dinge, die für mich wichtiger sind, als dein Anliegen.”
Diese Aussage hat jedoch eine vollständig andere Perspektive, als das simple “keine Zeit”. Die Aussage, man habe keine Zeit, stellt die knappe Ressource “Zeit” in den Mittelpunkt der Betrachtung. Man gibt quasi dem Ticken der Uhr die Schuld daran, dass man sich nicht um das kümmern kann, was an einen heran getragen wurde. Da man aber selbst keinen Einfluss auf das Vergehen der Zeit hat, entlastet man sich gleichzeitig.

Würde man statt dessen sagen, dass man im Moment andere Prioritäten habe, dass einem andere Dinge wichtiger seine, dann würde man sich damit selbst in den Mittelpunkt stellen. Dann würde man nämlich sagen, dass man aktiv die Entscheidung getroffen hätte, sich um etwas anderes zu kümmern und das Anliegen deshalb abzulehnen. Anstatt die Verantwortung der Zeit zuzuschieben müsste man sie selbst übernehmen.
Damit würden wir unserem gegenüber allerdings zu verstehen geben, dass uns andere Dinge wichtiger sind.
Allerdings sind wir so konditioniert, dass wir anderen Menschen diese Form der Ablehnung eigentlich nicht zeigen wollen. Also schieben wir die Verantwortung lieber dem gnadenlosen Vergehen der Zeit zu.

Was tun?

Ich möchte natürlich nicht dazu aufrufen, jedem, der mit einem Anliegen zu uns kommt, zu sagen, dass er uns nicht wichtig wäre. Das wäre vermutlich nicht nur kontraproduktiv sondern kann Beziehungen und Freundschaften zerstören. Von der Gefahr des Jobverlustes möchte ich gar nicht sprechen.

Vielmehr möchte ich dazu aufrufen, sich diesen Mechanismus bewusst zu machen und sich darüber klar zu werden, warum wir behaupten, keine Zeit zu haben.
Im nächsten Schritt könnte man dann noch die eigenen Prioritäten überprüfen und überlegen, welche Zwänge die eigene Zeitnutzung bestimmen. Die Frage wäre dann: Folgen wir diesen Zwängen nur aus Bequemlichkeit, oder können hier Änderungen vornehmen, die uns in unserer Zeitnutzung freier und beweglicher machen? Und sind die Prioritäten, denen wir folgen tatsächlich unsere eigenen oder werden uns auch diese aufgedrängt?

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